Nachrichten und Informationen aus der Barlachstadt Güstrow

Schönheit pur. Mecklenburg - ein Land für Künstler 1900 - 1945

Bildhauerei und Bildhauergrafik

Vom 30. Mai bis 22. August 2010 zeigt die Ernst Barlach Stiftung im Ausstellungsforum-Grafikkabinett am Heidberg eine neue Ausstellung zur Bildhauerei und Bildhauergrafik.
Erstmals wird in einem umfangreichen Gemeinschaftsprojekt die Kunstentwicklung in Mecklenburg zwischen 1900 und 1945 untersucht und die verschiedenen Strömungen im Kaiserreich, in der Weimarer Republik und im NS-Staat dargestellt. Im Ergebnis wird ein Überblick geboten über die Kunstlandschaft Mecklenburgs vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Fazit der Forschungen ist die erstaunliche Feststellung, dass Mecklenburg sich in diesen frühen Jahren zu einer prosperierenden Kunst-Landschaft entwickelt hat, die in kurzer Zeit von einem eher von akademisch geprägten Künstlerinnen und Künstlern bestimmten Gebiet zu einem der Moderne aufgeschlossen gegenüberstehenden Landstrich entwickelt hat.
Mecklenburger Künstlerinnen und Künstler, gebürtige wie zugezogene, waren selten Avantgardisten – bis auf Ernst Barlach –, zumindest nicht tonangebende. Aber sie entwickelten eigenständige künstlerische Ausdrucksformen, die fern der Großstädte und der Kunstmetropolen entstanden, deshalb der Aufmerksamkeit der Kunstkenner und Sammler entgingen. Die Region wurde aber gleichzeitig von berühmten Künstlern der Moderne entdeckt und regte sie zu manchem Meisterwerk an.

Bildhauerei in Mecklenburg 1900 – 1945
Die Entwicklung der Bildhauerei im Mecklenburg der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der Nachfolge der Berliner Bildhauerschule übt einen sichtbaren Einfluss auf Künstler aus, die entweder aus Mecklenburg stammen oder dort Aufträge ausführen. Diese konservative Grundhaltung sieht zwar die menschliche Figur und das Porträt als Hauptthema der Bildhauerei. Im Denkmalswesen bleiben jedoch Neuerungen – zumindest im Kaiserreich und im NS-Staat – im wesentlichen aus. In der Weimarer Republik greifen einige wenige Bildhauer – etwa Max Preibisch und Margarete Scheel – vor allem bei baubezogenen Arbeiten im öffentlichen Raum Tendenzen der Moderne auf. Die manieristische Verschlankung ihrer Figuren lässt den Einfluss Wilhelm Lehmbrucks erahnen. Jedoch sucht man Beispiele etwa kubistischer oder konstruktivistischer Plastik in Mecklenburg vergebens, sieht man von Barlachs "Rächer" (1914) ab, dessen Gewand als mehrfach gegeneinander gesetzte Flächen gestaltet ist. Der wiederentdeckte Baustoff Backstein findet nicht nur im neuen Bauen Verwendung, sondern ist das grundlegende Sinn tragende Material bei architektonischen Kriegerdenkmalen, die durchaus als modern zu bezeichnen sind (Bad Doberan, Hagenow, Ribnitz, Teterow, Warnemünde).

Während sich der Bildhauer Wilhelm Wandschneider mit den politischen Systemen des Kaiserreiches und des NS-Staates arrangiert, ohne seine dem 19. Jahrhundert verpflichtete bildhauerische Sprache aufzugeben, steht nur Ernst Barlach in Mecklenburg für die konsequente Moderne. Barlach ist der einzige Bildhauer, den man zu Recht als einen international bedeutenden Künstler bereits zu seinen Lebzeiten bezeichnen kann. Barlach entfaltete seine größte Wirkung in der Weimarer Republik, nicht nur vom Auftragsumfang her, sondern insbesondere durch sein Wirken im öffentlichen Raum und im überregionalen Kunstbetrieb. Als Bildhauer ist er eine solitäre Erscheinung, die bereits von seinen Zeitgenossen als herausragend erkannt wurde.

Einzig Barlach steht in Mecklenburg für die konsequente Moderne, den man zu Recht als einen international bedeutenden Künstler bereits zu seinen Lebzeiten bezeichnet hat. Sein Malerfreund Max Liebermann sprach Barlach eine führende Rolle in der künftigen Kunstentwicklung zu, als er 1930 in Berlin die Laudatio auf den 60. Geburtstag des Bildhauers hielt: "In unseren so zerrissenen Zeiten […] ist ein Mann wie Barlach uns doppelt nötig und wertvoll, als Künstler an sich und als Vorbild. Barlachs Kunst und Barlachs Menschlichkeit sind eins. Unter dem gotisch anmutenden Faltenwurfe seiner Figuren schlägt ihnen ein Herz, das die Sorgen unserer Tage versteht und mitempfindet. Barlachs Kunst, anknüpfend an die Meister der Gotik, weist in die Zukunft: er wäre der Berufenste, der künstlerischen Jugend Führer und Förderer zu sein." Mit ihrem gnadenlosen Kampf gegen die moderne Kunst hatten die Nationalsozialisten diese Hoffnung zunichte gemacht. Erst nach 1945 konnte nach den zwölf dunklen Jahren zaghaft an die modernen Kunstströmungen vor allem der Weimarer Zeit angeknüpft werden.

Den Rang bildender Kunst in Mecklenburg der Jahre zwischen der Wende zum 20. Jahrhundert und dem Ende des Zweiten Weltkriegs neu zu bestimmen und damit die kulturelle Vielfalt Mecklenburg-Vorpommerns darzustellen, war Anliegen dieses Gemeinschaftsprojekts des Kulturhistorischen Museums Rostock und der Ernst Barlach Stiftung Güstrow.

Zu dieser bislang wenig beachteten Epoche in der Kunstgeschichte Norddeutschlands erscheint eine umfangreiche und reich bebilderte Publikation "Bildende Kunst in Mecklenburg 1900-1945" im traditionsreichen Hinstorff Verlag Rostock.

Bildlegende:
Ernst Barlach. Der Rächer. 1914. Bronze
Kulturhistorisches Museum Rostock

 

Frau Barbara Zucker, Barlachstadt Güstrow, Pressestelle am 26.05.2010